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Der Richter

Object type:Druckgrafik
Artist:
Pencz, Georg
Date:um 1533/1534
Measures:H: 4,9 cm, B: 7,9 cm
Material:Papier
Technique:Kupferstich
Style:Renaissance
Eine Frau ist des Ehebruchs angeklagt und muss sich in der Gegenwart ihres Ehemannes einer Prüfung unterziehen. Sollten ihre Unschuldsbeteuerungen nicht der Wahrheit entsprechen, wird ihr der steinerne Löwe die Hand abbeißen, auf den der Richter zeigt, der vor einer Säulenarchitektur mit Robe, Richtstab und übereinander geschlagenen Beinen, dem Gestus des Nachdenkens, sitzt. Die Frau schaut dem Richter gerade in die Augen. Ihr Äußeres zeichnet sie als Dame von hohem Stand aus. Der Mann im Narrenkostüm mit Narrenkappe und Schellenstab ist der verkleidete Liebhaber der Frau, der sich ihr aufgrund seiner Narrenfreiheit nähern kann. So schwört sie mit reinem Gewissen, dass außer ihrem Ehemann und jenem Narren ihr kein Mann jemals nahe gekommen sei. Hinter dem Löwen diskutieren der Advokat, der an seiner Kleidung, der Schriftrolle und seiner Position neben dem Richter erkannt werden kann, und der erzürnte Ehemann, der ihn wegdrängen will und den er beschwichtigt. Mit dem Zeigefinger weist er zum Richter gewandt aus dem Fenster in den leeren Himmel und will diesen damit wohl auf den höchsten Richter verweisen. Der Blick ins Freie ist ein Symbol für die Freiheit, welche die von jeder Schuld freigesprochene Ehefrau und ihren Liebhaber erwartet. Eine solche Ehebrecherfalle wird erstmals in einem anonymen deutschen Gedicht im 14. Jahrhundert im Zusammenhang mit Vergil erwähnt. Später wurde die Vergilsage dann mit der Bocca della Verità im Portikus der römischen Kirche St. Maria in Cosmedin in Verbindung gebracht. Ausgehend von einer Zeichnung von Altdorfer fand das Bildmotiv Eingang in die Grafik und später die Malerei der nordischen Renaissance. Pencz verbindet in seinem Kupferstich das Motiv der Bocca della Verità mit dem einer Gerichtsszene. Ein Richter, der sich auf scheinbar eindeutige, in Wirklichkeit aber obsolete Kriterien verlässt, kann sich irren, wobei die Frage ist, ob nicht durch den Hinweis auf den göttlichen Richter ein nach juristischen Maßstäben falsches Urteil hier als ein unter höheren Aspekten gutes und gerechtes ausgewiesen wird. Damit würde vom Künstler und seinen Käufern mit heimlicher Freude begrüßt, dass sich eine ehebrecherische Frau durch Klugheit und List vor dem drohenden Urteil rettet.
(nach Silke Krohn, in: Ausst.-Kat. Des Menschen Gemüt ist wandelbar. Druckgrafik der Dürer-Zeit, Kunsthalle zu Kiel 2004, S. 158)

Literature:
  • Kuder, Ulrich / Bärbel Manitz / Walter Sparn: Des Menschen Gemüt ist wandelbar. Druckgrafik der Dürer-Zeit, Kiel, 2004

Inventory Number: A.B. 291

Signature: bezeichnet (u. l. auf einer Tafel: G P)


Iconographie:     
Abstrakte Ideen / Konzepte
     
Gesellschaftsbild