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August Sander und die Kölner Progressiven. 1920-1933

Ab dem: 15.03.2015
Bis zum: 23.08.2015
Veranstalter:Ernst-Barlach-Museum
AnschriftMühlenstraße 1
22880 Wedel/Holstein
Link zum Museum : http://www.erns[..]
Der 1876 in Herdorf im südlichen Siegerland geborene August Sander gilt heute als einer der wichtigsten Fotografen des 20. Jahrhunderts. Mit seinen Bildzyklen „Antlitz der Zeit“ und „Menschen des 20. Jahrhunderts“ hat er ein epochemachendes Fotoprojekt geschaffen, das erstmals in der Fotografiegeschichte nicht allein die Individualität des Einzelnen im Portrait zu erfassen suchte, sondern vor allem auch die soziale Zugehörigkeit der Abgebildeten zu bestimmten gesellschaftlichen Gruppen, Schichten und Klassen in den Blickpunkt rückte. Für den heutigen Betrachter sind die Fotografien Sanders Bilder aus einer vergangenen Zeit, von dem jedes seine ganz eigene Geschichte erzählt.
August Sander begann 1896 Menschen zu fotografieren, zuerst in seinem Heimatort Herdorf, später dann auch in seiner Wahlheimat Köln. Es wurde ein Projekt fürs Leben, das ihn nicht mehr los ließ. Immer wollte er die Dinge sehen, wie sie sind, und nicht, wie sie sein sollten und sagt dazu: „Mit Hilfe der reinen Photographie ist es uns möglich, Bildnisse zu schaffen, die die Betreffenden unbedingt wahrheitsgetreu und in ihrer ganzen Psychologie wiedergeben.“
1929 veröffentlichte Sander in seinem ersten Buch„Antlitz der Zeit“ eine Auswahl von 60 Aufnahmen, die vom Publikum begeistert aufgenommen wurden. Heute gilt dieses von ihm zusammengestellte Bildkonvolut als eine anschauliche Beschreibung des vielschichtigen Gesellschaftsbildes der Weimarer Zeit.
Es treten hier dem Betrachter die unterschiedlichen Menschen sowohl als Individuen mit ihren ganz persönlichen Eigenheiten wie auch als typische Mitglieder einer Gesellschafts- oder Berufsgruppe vor Augen - eine doppelwertige Form der individuellen und zugleich auch sozialen Sichtweise auf die dargestellten Personen, für die August Sanders Schaffen wohl einzigartig steht. Eine weitere Pointierung gewinnen Sanders fotografische Portraits zudem durch ihre Bildunterschriften wie beispielsweise Jungbauern, Boxer, Konditor, Handlanger, oder Corpsstudent, mit denen er seine Aufnahmen unter Hervorhebung des von ihm herausgearbeiteten Typus bezeichnete, Bildtitel, die heute als Ikonen seiner Portraitkunst gelten.

Mit„Antlitz der Zeit“ gelang August Sander ein großer Erfolg, der in zahlreichen zeitgenössischen Rezensionen von Walter Benjamin, Kurt Tucholsky und Thomas Mann begeistert hervorgehoben wurde und ihn in seinem Schaffen soweit bestärkte, dass er heute in der gegenwärtigen Kunstrezeption als einer der großen Pioniere der Fotografie geehrt wird. Selbst die Beschlagnahmung von „Antlitz der Zeit“ im Jahre 1 936 und die Zerstörung der Druckstöcke konnten seine Bedeutung nicht schmälern. Darauf machte Alfred Döblin bereits in seiner Einführung zu Sanders Buch „Antlitz der Zeit“ mit folgenden Worten aufmerksam: „Man hat vor sich eine Art Kulturgeschichte, besser Soziologie, der letzten dreißig Jahre. Wie man Soziologie schreibt, ohne zu schreiben, sondern indem man Bilder gibt, Bilder von Gesichtern und nicht etwa Trachten, das schafft der Blick dieses Photographen, sein Geist, seine Beobachtung, sein Wissen und nicht zuletzt sein enormes photographisches Können. Wie es eine vergleichende Anatomie gibt, aus der man erst zu einer Auffassung der Natur und der Geschichte der Organe kommt, so hat dieser Photograph vergleichende Photographie getrieben und hat damit einen wissenschaftlichen Standpunkt oberhalb der Detailphotographen gewonnen.“

Zu Beginn der 1920er-Jahre kam Sander in Berührung mit der Gruppe der„Kölner Progressiven“ und fand im Kreis um Künstler wie Franz Wilhelm Seiwert, Heinrich Hoerle, Gerd Arntz, Gottfried Brockmann, Otto Freundlich, Raoul Hausmann und Stanislaw Kubicki starke Resonanz. Die Kölner Progressiven formierten sich in den 20er Jahren in Köln als eine Gruppe progressiver Künstler, die sich intensiv mit der Funktion von Kunst in der politischen Auseinandersetzung beschäftigten. In Übereinstimmung mit ihrem Selbstverständnis, politisch-operative Künstler zu sein und ihrem Anspruch, Politik und Kunst vereinen zu wollen, kreisten die Inhalte der„Kölner Progressiven“ vornehmlich um Themengebiete wie Revolution, soziales und politisches Geschehen. Die Figuren sind weniger Individuen als vielmehr schematisiert dargestellte Wesen und stehen exemplarisch für bestimmte Typen wie den Fabrikarbeiter oder den Bauern. Was ja auch Sanders‘ Sichtweise in vielen Punkten entsprach. Neben Gemälden gehörten grafische Arbeiten zur bevorzugten Gattung, konnte dadurch doch - im Einklang mit dem gesellschaftspolitischen Anspruch - eine große Zielgruppe erreicht werden. Sowohl in den malerischen als auch in den grafischen Arbeiten tritt das realistische zugunsten des geometrischen Elementes zurück. In den Gemälden herrscht daher eine strenge horizontale und vertikale Gliederung vor, an geometrischen Körpern orientierte, häufig bunte Farbflächen sind zu schematisch reduzierten Motiven zusammengefügt.
di-so 11-18