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ANNA VONNEMANN. DIE SUCHE NACH DER KÜNSTLERISCHEN IDENTITÄT

Ab dem: 20.04.2024
Bis zum: 14.07.2024
Veranstalter:Richard-Haizmann-Museum
AnschriftRathausplatz 2
25899 Niebüll
Link zum Museum : http://www.haiz[..]
Auf sechs Räume verteilt, thematisiert die Ausstellung den Werdegang Anna Vonnemanns. Studium (Hamburg), „Zeit der Experimente“ (Hamburg/New York), „Auf dem Weg“ (Wien), „Auf der Zielgeraden“ (Wien/Berlin) und „Angekommen“ (Berlin). Die Entwicklung ist eng an den jeweiligen Aufenthaltsort geknüpft und spiegelt unabdingbare Geradlinigkeit in der künstlerischen Entwicklung wieder. Unbeirrt verfolgt Anna Vonnemann einen Weg abseits des gegenwärtigen Mainstreams. In diesem Spannungsverhältnis sind es ihre persönlichen Ideale, die ihre eigene künstlerische Position authentisch herauskristalisieren.

Anna Vonnemann, Artiststatement 2024:

„Wiederholungen und Reihungen

Während eines Vortrages mit dem Titel „Die Kartoffel als Künstler“ an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg betonte der Psychologe Prof. Friedrich Wolfram Heubach* gegenüber den anwesenden Kunststudenten, dass spontane Handlungen immer nur an der Oberfläche kratzen. Neues könne man von spontanen Handlungen also nicht erwarten. Das liege in der Natur spontaner Handlungen. Er stellte die These auf, dass die spontan keimende Kartoffel der ideale Künstler sei, wenn es in der Kunst um Spontanität gehe. Interessant würde es immer erst, sagte er, wenn man tiefer gräbt, immer an der gleichen Stelle.

*Prof. Heubach gründete 1968 die Kunst/Künstler-Zeitschrift Interpunktionen.

Da ist was dran. Der Vortrag hat mich nachhaltig beeindruckt.

Mit der Wiederholung eines Bildes oder einer Tätigkeit grabe ich immer tiefer an derselben Stelle. Ich habe in meiner Arbeit gelernt, dass es unzählige Möglichkeiten der Wiederholung gibt. Für mich ist nicht das Bild, das ich noch einmal male, das Werk, sondern die Wiederholung an sich. Wiederholungen und Reihungen sind vielfältig und müssen von verschiedenen Stellen betrachtet werden.

Es macht zum Beispiel einen riesigen Unterschied, ob verschiedene Menschen ein bestimmtes Bild malen (kopieren) oder ob ich selber ein und dasselbe Bild immer wieder male. Im ersten Fall beschreibe ich mit der Reihe die verschiedenen Charaktere der einzelnen Maler, aber auch die Relativität des dargestellten Objekts. Das gilt insbesondere, wenn versucht wurde, das Objekt naturgetreu wiederzugeben.

Im zweiten Fall ist die Wiederholung eine Art Tagebuch. Ich beschreibe mit einer solchen Reihe meine persönliche Tagesform und eigenen Unzulänglichkeiten, aber auch Zufälle, die die Erscheinungsform des Bildes mitbestimmen. Wie im ersten Fall beschreibt die Reihung natürlich auch den Bildgegenstand selber, der nie das sein kann, was das Bild zeigt. Der wirkliche Bildgegenstand ist vielmehr zu ahnen in den Differenzen, die sich in den verschiedenen Darstellungen zeigen.

Wiederhole ich in längeren Zeitabständen ein Bild, beschreibe ich damit meine persönliche Entwicklung im Allgemeinen, aber auch zum dargestellten Gegenstand.

Ganz anders wird es, wenn die Wiederholung Teil eines größeren Ganzen ist, zum Beispiel wenn das Bild formal einen Rapport darstellt. In dem Fall arbeite ich zwar auch mit den Differenzen, die beim Kopieren enstehen, aber das Bild wird zusätzlich auch Teil eines All-Overs: Es wird zur kleinsten Einheit einer gedachten Unendlichkeit. Gleichzeitig beziehe ich mich mit dem Rapport auf den Stoff- oder Tapetendruck. Ich setze also das gemalte Bild dem Vergleich mit Drucken aus.

Eine Spiegelung ist auch eine Form der Wiederholung. Hier gehen beide Teile eine starke Symbiose ein. Es entstehen neue Bilder ähnlich wie in der Abklatschtechnik. Es entsteht eine besondere Spannung zwischen den beiden Bildern.

Grundsätzlich entstehen in der Wiederholung immer neue Formen und Beziehungen – es ergibt sich automatisch ein Rhythmus. Der entsteht ungewollt, dagegen kann man sich nicht wehren. Man kann aber damit arbeiten und ihn steuern.

Man könnte die Fragestellung der Wiederholung trocken und fast wissenschaftlich bearbeiten, mit einfacheren Formen. Der Versuch der exakten Wiederholung einer einfachen Form wie die eines Punktes oder kurzen Striches lässt das Erkennen feiner Unterschiede aber kaum zu. Dabei ginge die Komplexität der Fragestellung verloren, zudem halte ich den Unterhaltungswert für wichtig in der Kunst, der verloren geht, wenn sich ein Bild anfühlt wie eine wissenschaftliche Arbeit.

Wiederholungen werden für mich besonders interessant, wenn es sich um komplexe Handlungen handelt.

Altmeisterliche Techniken bieten sich für meine Arbeiten an, da darin die genaue Nachempfindung eines Gegenstandes angestrebt wird, ohne die Herausbildung eines individuellen Strichs. Der Malstil rückt in den Hintergrund. In einem Bild, das eine individuelle Stilrichtung erkennen ließe, tritt das Objekt in den Hintergrund. Dargestellt wird dann nur eine bestimmte Geisteshaltung – im Grunde mehr Mode als Geisteshaltung. Übersetze ich ein Bild in unterschiedliche Malstile, so wird daraus ein Vergleich von Denkmodellen. Das interessiert mich persönlich nicht.

Interessant wird es für mich erst, wenn ich versuche, nach bestem Können alle persönlichen Attribute, jeden persönlichen Strich, aus den Bildern und im Malstil zu löschen. Mich interessiert, was dann übrig bleibt. Was von mir (oder anderen Malern) übrig bleibt, wenn ich versuche, jede Individualität zu löschen – wenn ich also ein Teil der Masse werde.“
di-fr 11-16.30, sa 10-12, so 14-17