Dürer brachte die in Kapitel 4 und 5 der Offenbarung enthaltenen detailreichen Visionen auf die Druckplatte, ohne die kosmische Unendlichkeit des Raumes in kleinteiliger Erzählung zu ersticken. Um dem Bildraum Weite zu geben, wird der riesige Bogen des Himmelstors samt seinen schweren Holztüren vom Bildrand überschnitten, strahlen die aus einem Wolkensaum hervorbrechenden Blitze und Feuerflammen, unterstützt von den Köpfen der vier Winde, in alle Himmelsrichtungen aus. Erfahrbar wird diese Weite auch durch die Übersichtlichkeit und die Tiefe der Landschaft mit dem befestigten Ort und der Kirche, der Baumgruppe, dem sich im Wasser spiegelnden Schlösschen mit dickem Donjon vor dem sich zum Horizont erstreckenden See. Im Himmel innerhalb des geöffneten Torbogens findet eine Menge von Figuren Raum: Gott Vater, auf dem Thron sitzend, umgeben von den vier Wesen, über ihm sieben lodernde Fackeln, auf seinem Schoß das Buch mit den sieben Siegeln, das vom Lamm, das ?sieben Hörner und sieben Augen hatte? (Offenbarung 5,6), geöffnet wird, zu Füßen Gottes der Engel, der mit lauter Stimme rief: ?Wer ist würdig, das Buch zu öffnen und seine Siegel zu lösen?? (Offenbarung 5,2), schließlich rings um den Thron die 24 Ältesten auf ihren Thronen, links und rechts je zwölf, die im Begriff sind, sich niederzuwerfen, ihre goldenen Kronen abzulegen und den Lobgesang auf ihren Harfen zu begleiten. Groß erscheint in der Bildmitte jenseits des Wolkenbandes als Rückenfigur, den Kopf ins Profil gedreht, der Seher Johannes, dem sich einer der Ältesten zuwendet und ihn mit den Worten tröstet: ?Weine nicht! Gesiegt hat der Löwe aus dem Stamm Juda, der Spross aus der Wurzel Davids; er kann das Buch und seine sieben Siegel öffnen? (Offenbarung 5,5).

Lit: nach Ulrich Kuder, in: Ausst.-Kat. Des Menschen Gemüt ist wandelbar. Druckgrafik der Dürer-Zeit, Kunsthalle zu Kiel 2004.

Literatur:

• Kuder, Ulrich / Bärbel Manitz / Walter Sparn: Des Menschen Gemüt ist wandelbar. Druckgrafik der Dürer-Zeit, Kiel, 2004

Inventarnummer: A.B. 1164

Signatur: bezeichnet (u. Mitte: AD)

Ikonographie:

Offenbarung des Johannes